Einige persönliche Gedanken zur Choretaki-Reise zum Navratri-Festival 2016:

Seit ich „die Garba“, eine indisch-devotionale Volkstanzgattung aus Gujarat vor etwa 20 Jahren im Rahmen eines Tanzseminars bei Gabriele Wosien kennengelernt hatte, faszinierte mich die Vorstellung, dass in Indien neun Nächte lang auf vielen Plätzen und Straßen getanzt wird, um die Shakti (Bezeichnung für die weibliche Urkraft des Universums) zu feiern. Mein lang gehegter Wunsch, diese Tanztradition vor Ort kennen zu lernen, erfüllte sich heuer im Oktober im Zuge der ersten Choretaki-Reise zum Navratri-Fest nach Indien/ Gujarat in Zusammenarbeit mit dem Reiseveranstalter Bluebird Travel.

Gemeinsam mit drei Österreicherinnen und einer Belgierin erlebte ich das Navratri Fest mit dem Garbatanz in unterschiedlichen Varianten und Orten: von streng rituell in dörflichen Tempelanlagen bis hin zu hippen Choreografien auf Fußballfeld- großen Plätzen in städtischen Gebieten. Jedenfalls aber erlebten wir eine beeindruckend lebendige Tanztradition, die von Menschen jeden Alters mit erstaunlicher Hingabe gepflegt wird.

Prächtig gekleidete und geschmückte Frauen, Männer und Kinder versammeln sich abends nach getaner Arbeit um sich in Gruppen oder in Paaren in einem Kreis um den Schrein der 'Mother-Goddess' zu bewegen. Ehe der Tanz beginnt, findet eine hinduistische Puja statt mit Aarti, einer stimmungsvollen Lichterzeremonie zu Ehren der großen Mutter-Göttin und zum Segen der Teilnehmenden. „Om Jayo Jayo Maa Jagdambe – Om, es siege die große Mutter Amba (Amba = eine Manifestation von Parvati, der Gattin Shivas). So lautet der Refrain des Liedes, das bei der Aarti-Zeremonie an allen Orten gesungen wird.

Und es ist die Lebenskraft schlechthin, die von Jung und Alt gefeiert und verehrt wird. Die Garba dreht sich im Kreis und alle bewegen sich mit: dynamisch, im gleichen Rhythmus, jedeR für sich und trotzdem miteinander verbunden, hingebungsvoll, das Leben feiernd mit allem was dazu gehört. Die Botschaft ist klar: Leben ist Bewegung und alles fließt, so auch der Tanz. Wer stehen bleibt, wird mit Trillerpfeife und Stock vom Platz gewiesen….

Selbst wenn viele Menschen beiderlei Geschlechts sich an dem Fest enthusiastisch beteiligen, so unterscheidet sich die Atmosphäre doch wesentlich von jener, der bei uns an Volksfesten üblichen. Das Tanzritual läuft allabendlich absolut friedlich und ohne Krawalle ab. Es wird mit einem Gebet eröffnet, besteht aus zwei ca. zweistündigen Tanzsequenzen, dazwischen eine Puja mit Aarti und eine ½ stündige Pause. Keinerlei enthemmtes oder aggressives Verhalten ist zu beobachten. Ist der Tanz zu Ende, löst sich die Menschenmenge rasch, aber ohne Drängen auf. Mit ein Grund dafür mag sein, dass in Gujarat, der Heimatprovinz Mahatma Gandhis, striktes Alkoholverbot herrscht.

Beeindruckend auch die Offenheit und Gastfreundlichkeit der Menschen, die uns an ihren Riten nicht nur teilhaben ließen sondern sich bemühten, dass wir z.B. die Schrittfolgen auch mitvollziehen konnten. Hatte man das Glück von einer geübten Person ins „Schlepptau“ genommen zu werden, so erspürte man mit der Zeit die faszinierende Kraft dieses rituellen Tanzes. Ebenfalls schön zu erleben waren die geschmeidigen, anmutigen Bewegungen der Frauen sowie auch jene der zahlreich teilnehmenden Männer.

Ganz anders erlebten wir die Garba in jenen zwei Städten, wo der Wettbewerb im Vordergrund stand. Mit Schildern gekennzeichnet und von den Schiedsrichtern, die sich unter das Volk gemischt hatten, relativ unauffällig beobachtet, wurden dort Gruppen vorwiegend jüngerer Menschen oder Einzelpersonen nach ihrer Tanzkunst bewertet. Man sah komplexe, kunstvolle Choreografien, zum Teil kombiniert mit Bollywood–Stilelementen und zusätzlich zum Kreis auch in Line-Dance Formationen. Obwohl der rituelle Aspekt hier in den Hintergrund trat, folgte der Abend im Grunde demselben Ablauf wie im Tempel.

Insgesamt war unsere Reise gekennzeichnet von sehr herzlichen Begegnungen mit Land und Leuten und wenig konfrontierenden Erfahrungen z.B. extreme Armut, wie ich sie von meinen früheren Indienreisen her kannte. Erheiternd, weil wie einen „ umgekehrten Zooeffekt“, empfanden wir die Tatsache, dass wir als heiß begehrte Objekte auf unglaublich vielen Familienfotos landeten. Europäische Touristen, insbesondere hellhäutige, blonde Frauen, besitzen in Gujarat eben Seltenheitswert!

Jedenfalls war die erste Choretaki-Reise ein voller Erfolg. Schöne Bilder und Eindrücke dieser Reise findest du in unserem Choretaki-Reistagebuch Indien. Und weil es noch Vieles zu entdecken gibt in Gujarat, freue ich mich jetzt schon auf die nächste Reise zum Navratrifest, die wir für den Oktober 2018 planen. Wer daran interessiert ist, kann sich bereits jetzt vormerken lassen. Das Navratrifest findet 2018 von 10.-18. Oktober statt.

Foto: Rita Schockaert