Portrait Julia Fraunlob

Die folgenden Interviewfragen habe ich schriftlich beantwortet:

1. Bitte stelle dich den Leserinnen kurz vor:

Ich bin Tänzerin, Tanzpädagogin und Kultur- und Sozialanthropologin. Ich lebe und arbeite in Wien, wo ich auch geboren und aufgewachsen bin. Meine Liebe zum Tanz hat sich jedoch auf meinen zahlreichen Reisen und in der Begegnung mit anderen Kulturen entwickelt.

2.Wo liegt dein tänzerischer Hintergrund?

Meine erste intensivere Beschäftigung mit Tanz hat während meiner langen Reisen in Westafrika Ende der 1990er Jahre begonnen. Der enorme Stellenwert, den der Tanz dort damals hatte – sowohl die traditionellen afrikanischen Tänze als auch die kommerzialisierten Formen in den Tanzclubs – hat mich sehr geprägt. Parallel dazu praktizierte ich lateinamerikanische Tänze und vertiefte meine Kenntnisse bei mehreren Aufenthalten in Kuba. Im Herbst 1998 folgte eine Indien-Reise. Aufgrund anhaltender Regenfälle ging ich oft ins Kino. Eine mitreißende, ausgelassene, bunte Tanzszene auf einem Dach eines Zugs, der sich durch eine wunderschöne Landschaft schlängelte im Bollywood-Film „Dil-Se“ entzündete meine nachhaltige Leidenschaft für den Indischen Filmtanz. Einige Jahre später gab es in Wien die Gelegenheit diesen Tanz zu erlernen und seit 2006 bin ich Mitglied der Bollywood-Tanzgruppe Padma Dance Company.

2015/16 beschloss ich all meine Erfahrungen und mein „Tanzwissen“ zu bündeln. Ich absolvierte die Ausbildung zur Diplomierten Bewegungs- und Tanzpädaogin an der Vitalakademie in Wien. Dies war auch der für mich persönlich notwendige Schritt, um das Tanzen schließlich hauptberuflich auszuüben und zu unterrichten.

Seither habe ich eine Teilzeitanstellung in der Gesundheitsförderung im Bereich der Beruflichen Rehabilitation, in deren Rahmen es mir gelungen ist neben unterschiedlichen Bewegungsangeboten auch ein Tanzangebot zu etablieren. Außerdem biete ich Derwischtanz-Performances und Workshops zu Drehtanz an.

Zu den zahlreichen LehrerInnen, die meinen bunten tänzerischen Werdegang über all die Jahre besonders geprägt haben, gehören Ziya Azazi, Terence Lewis, Sophie Fürnkranz, Ulrich Gottlieb und Mona Schramke – aber eigentlich auch all die vielen, unbekannten TänzerInnen mit denen ich spontan zusammen auf Straßen, bei Festen und in Clubs in den verschiedensten Ländern getanzt habe.

3. Was ist dein aktueller, thematischer Tanzschwerpunkt?

Auf einer Reise in Kairo im Jahr 2010 entdeckte ich den faszinierenden Drehtanz der Derwische – mit dem ich mich seither sehr intensiv in Theorie und Praxis befasst und auf den ich mich schließlich spezialisiert habe.

Abgesehen von der unglaublichen Ästhetik des Drehtanzes, beeindruckten mich vor allem die Auswirkungen auf mein Bewusstsein und meine Persönlichkeit. Ich bin viel mutiger geworden, verfüge über mehr Gelassenheit und mir fällt „loslassen“ in vielen Lebenssituationen leichter als früher. Ähnlich wie Meditation schult die Drehtanzerfahrung die Achtsamkeit, die Körperwahrnehmung und überhaupt eine wertfreiere, mitfühlendere Wahrnehmung. Daher ist es mir ein großes Bedürfnis den Drehtanz bekannter zu machen und ihn mit anderen Menschen zu teilen. Im Rahmen meiner Tanzpädagogik-Ausbildung habe ich ein Konzept entwickelt, das es ermöglicht, die Grundkenntnisse des Drehtanzes in kurzer Zeit mit wenig bis gar keinen unangenehmen Begleiterscheinungen wie Schwindel oder Übelkeit zu erlernen. Ich gebe die eigentlich Jahrhunderte alte Technik der tanzenden Derwische, die einen mystischen Hintergrund hat, mit modernen pädagogischen und didaktischen Methoden an meine Workshop-TeilnehmerInnen weiter.

4. Beschreibe uns bitte für wen und wo du deine Kurse anbietest?

Für alle Interessierten: Von sehr tanzerfahrenen Menschen, die sich mehr mit dem Thema „sich Drehen“ auseinandersetzen wollen, bis hin zu Menschen, die noch über keinerlei Tanzerfahrung verfügen. Meine jüngsten TeilnehmerInnen sind 6 meine ältesten 70 Jahre alt. Auch Menschen mit leichten körperlichen Einschränkungen können den Drehtanz erlernen. Die Übungen sind so aufgebaut, dass alle sie im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Grenzen gut ausüben können. Meine Workshops finden in Wien, Niederösterreich und im Frühjahr 2018 erstmals auch in Innsbruck und in Bielefeld statt.

5. Welche Träume, Wünsche, Visionen hast du in Bezug auf den Tanz?

Für mich persönlich bedeutet tanzen: Das Leben feiern.Denn der Tanz hat eine ungeheure Kraft. Er kann die Lebenskraft aktivieren, die Achtsamkeit steigern und veränderte Bewusstseinszustände herbeiführen. Tanz ist auch eine sehr subtile, tiefgehende Form von Kommunikation und kann somit stark verbindend zwischen Menschen wirken. Er hat daher das Potenzial, verschiedene Gruppen von Menschen und verschiedene Kulturen einander näher zu bringen. Sich die Tänze anderer Völker anzueignen birgt die wunderbare Möglichkeit in sich, in ihre Kulturen einzutauchen, sich das „Fremde“ anzueignen bis es das „Eigene“ wird…..

Meine Vision: Dass der Tanz das Miteinander stärkt in einer Welt in der gerade das Abgrenzen und Gegeneinander der Menschen auf vielen Ebenen wieder zunimmt.

Mein Herzenswunsch ist es, dass die vielen bereichernden Facetten des Tanzens bekannter werden und die Menschen mehr und mehr tanzen!

6. Gibt es ein Motto oder Spruch, der für dich wichtig ist?

Da gibt es wohl viele! Aber herausragend finde ich folgenden, einfachen Satz des persischen Mystikers, Dichters, Tänzers und Ordensgründer der Mevlevli-Derwische Maulana Rumi, weil er für mich die lebensbejahende Kraft des Tanzes auf den Punkt bringt: „Wo immer der Tanzende mit dem Fuß auftritt, da entspringt dem Staub ein Quell des Lebens.“

7. Was ist deine nächste Tanzveranstaltung?

Derwisch - Drehtanz in Mannersdorf/Niederösterreich: 7./8. Juli

Anmeldung & weitere Infos unter: www.juliafraunlob.at