Laura ShannonMeine lebenslange Suche nach "Sacred Dance" wurde von mehreren unterschiedlichen Leidenschaften geleitet, wie die Äste eines einzigen Baumes, tief verwurzelt in der Erde. Meine Mutter, eine Pianistin, füllte täglich das Haus mit Musik und gab mir ihre Liebe zu Melodie und Rhythmus. Mein Vater, ein Mathematiker, lehrte mich die Wertschätzung der Magie der Muster, und die Wahrnehmung des Heiligen in der Natur und der Landschaft. Schon früh spürte ich die Sehnsucht nach friedvoller Verbundenheit mit anderen, eine Wut auf Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit, und einen nicht zu unterdrückenden Wunsch zu tanzen.

Kindheit und Jugend in den USA

Meine früheste Tanzerinnerung sind Unterrichtsstunden in kreativem Tanz, als ich etwa fünf Jahre alt war: wir lernten Bewegungen des hawaiianischen Hula, die Geschichten erzählen von Wind, Wellen und Walen. Ich war erfüllt von Begeisterung und bewahrte die Erinnerung lange als einen Prüfstein in meinem Herzen: Beweis dafür, was möglich war. Inzwischen denke ich, dass ich alle späteren Tanzerfahrungen mit dieser ersten verglichen habe, in der ich mich lebendig fühlte, frei, und dennoch verbunden: mit mir selbst, mit anderen, mit den großen Kräften von Erde, Himmel und Meer. Instinktiv fühlte ich, dass dies heilig ist.

Ich wuchs in den USA zur Zeit des Vietnamkrieges auf, und mein junges Herz war zutiefst verstört von den nächtlichen Szenen der Gewalt in unserem winzigen Schwarzweissfernseher. Warum wollten Menschen einander töten? Ich verstand es nicht. Gelegentliche sonntägliche Kirchgänge zeigten mir, dass Menschen durchaus in Frieden zusammenkommen konnten, anstatt zu kämpfen und zu schreien. Die schönen Hymnen, das Sonnenlicht in den bunten Glasfenstern, dahinter die hohen Bäume mit ihren wiegenden Ästen, ich wollte vor lauter Freude tanzen! Es schien so falsch, dass wir stillsitzen mussten. Trotzdem wusste ich tief in mir, dass dies genau war, was ich später tun wollte: Menschen im Gebet zusammenbringen, mit himmlischer Musik, in einem heiligen Raum. Es war ein entsetzlicher Schock zu hören, dass Gott männlich war, Bewegung schlecht, und Mädchen keine Priester sein konnten. Genauso konnte ich die Vorstellung nicht akzeptieren, dass “unsere” Religion gut war und andere Religionen schlecht.

Ich gab die Kirche auf, und musste auch den Tanz aufgeben. Der Kurs in kreativem Tanz war zu Ende, und die folgenden Kurse in Ballett und Tapdance, an denen meine Schwester und ich teilnahmen, erfüllten meine Erwartungen nicht. In den kontrollierten Bewegungen des Balletts oder den steifen Sohlen und dem schlüpfrigen Metall der Tapdanceschuhe konnte ich keine Freude finden. Ich wollte barfuss tanzen, die Erde spüren, frei sein! Die choreographierten Schritte und Bewegungen hatten keine Bedeutung für mich, ich konnte mich nicht ausdrücken, und ich hasste die Atmosphäre von Wettbewerb und Rivalität. Ich fühlte mich eingefroren, ertränkt, erstickt. Wir nahmen nicht weiter an den Kursen teil. Tanz wurde zu einer Oase der nur noch privaten Freude, manchmal geteilt mit Freunden: fliegende Haare und wirbelnde Arme in einem wildem, über die Möbel springenden Tanz durch den Keller, dazu spielten wir die Harry Nilsson und Beatles Platten meiner Eltern so laut, wie wir uns trauten.

Wie viele Mädchen fühlte ich mich am glücklichsten und stärksten beim Tanzen oder auf dem Fahrrad - bis mit der Pubertät eine Lawine von Scham und Schüchternheit über meinen sich verändernden Körper rollte. Ich dachte, dass meine jetzt sichtbare körperliche Weiblichkeit ein Grund zum Feiern sein sollte, stattdessen wurde ich zum Ziel unwillkommener sexueller Aufmerksamkeit. Es schien, dass Mädchen und Frauen nirgendwo sicher waren. Zur selben Zeit begann ich die Umweltzerstörung wahrzunehmen, die unseren Planeten gefährdet, und war zutiefst verstört von meinem Gefühl, dass diese zwei Kalamitäten - Unterdrückung von Frauen und Zerstörung der Erde - irgendwie zusammenhingen. Ich fühlte mich machtlos und hoffnungslos. Ich verlor meinen Wunsch zu Tanzen und wollte mich nur noch verstecken.

Als ich 1981 auf die Universität wechselte, hatte ich meine Träume vom Tanzen längst aufgegeben, aber wie es sich traf, verlangte der Lehrplan für Freie Künste an meiner Universität, Module in allen Fächern zu belegen, einschliesslich Tanz. Eine freundliche Lehrerin nahm mich unter ihre Fittiche, und mit ihrer Hilfe fand ich meine Flamme wieder. In diesen Jahren genoss ich modernen Tanz, Tanz aus dem Mittleren Osten, westafrikanischen Tanz, internationalen Folktanz und Tanz-und Bewegungstherapie.

Diese verschiedenen Tanzformen brachten mich zum Leben in meinem Körper zurück. Zur gleichen Zeit erneuerte die aufblühende weibliche Spiritualitätsbewegung meinen Stolz auf die Weiblichkeit, während Umweltaktivismus und Friedensarbeit mir neue Hoffnung für die Zukunft der Erde gaben. Und trotzdem hatte ich immer noch Fragen: Wie können Frauen Anführer sein in einer Gesellschaft, die nicht will, dass sie führen? Wie kann der weibliche Körper ein Kanal für etwas Heiliges sein, nicht das Ziel von Angriffen? Wie können wir eine friedvolle Gesellschaft schaffen, in der jede sicher ist und willkommen?

Findhorn und mein erster Kontakt mit Sacred Dance

Während eines Auslandsstudienjahres in Paris (1984 - 85) machte ich mehrere Besuche in Findhorn, der ökologischen Gemeinschaft in Schottland. Hier lernte ich eine Praxis kennen, die Sacred Dance genannt wurde und 1976 von dem deutschen Ballettmeister Bernhard Wosien nach Findhorn gebracht worden war. Abzielend auf das Bewusstsein der Gruppe verbindet Sacred Dance traditionelle Volkstänze mit modernen choreographierten Kreistänzen. Der Kreis des Sacred Dance erinnerte mich an die Kirche - aber hier tanzten alle, Frauen konnten Anführer sein, und alle Religionen wurden eins. Mein Kindertraum wurde wahr.

Mit gerade zwanzig schloss ich das Findhorn Sacred Dance Teacher Training ab und begann meine Karriere als Lehrerin von Sacred Dance, in der Welt ausserhalb von Findhorn bekannt als Kreistanz (Circle Dance), Heiliger Kreistanz (Sacred Circle Dance) oder Meditatives Tanzen. Sacred Dance war alles, wonach ich gesucht hatte: Spiritualität ohne Dogma, Verbindung in Gemeinschaft, Verehrung der Erde, und viele weibliche Lehrerinnen.

Laura Shannon Findhorn

Des weiteren hatten diese einfachen Tänze auf die Menschen deutlich einen kraftvollen therapeutischen Effekt. Um dies besser zu verstehen, absolvierte ich ein Training in Tanz- und Bewegungstherapie am Roehampton Institute in London, wo meine Abschlussarbeit sich mit den frühen Pionieren der Tanz- und Bewegungstherapie beschäftigte. Ich entdeckte, dass alle diese aussergewöhnlichen Tänzerinnen und Tänzer - von Mary Wigman über Rudolf Laban und Isadora Duncan bis zu Ruth St Denis - bedeutungsvolle und formende Erfahrungen mit Folktanz und ethnischen Tanztraditionen gemacht hatten. Hier fühlte ich die lebendige Wurzel des heilenden Tanzes, und einen Hinweis darauf, was den Tanz zu etwas Heiligem macht. Mir gefielen zwar die meditativen Kreistänze nach Choreographien von Bernhard Wosien und anderen, der Kompass meines Herzens wies mich jedoch in die Richtung der noch überlebenden Folktanzformen wo auch immer ich sie finden konnte.

Weltweite Forschungsreisen

Zu dieser Zeit, vor dem globalen Internet und lange vor YouTube, war der beste Weg, osteuropäischen Kreistanz zu erleben, dorthin zu fahren. Meine erste Reise führte mich 1987 ins damalige Jugoslawien, dann kamen dicht darauf Besuche in Russland, Bulgarien und Griechenland; schliesslich reiste ich in alle Balkanländer sowie Armenien, die Türkei und Nordafrika auf meiner Suche nach Folktanz und Musik. Ich besuchte auch andere Traditionen von ethnischem Tanz und indigener Spiritualität von Indien über Afrika und Australien bis zu beiden amerikanischen Kontinenten, die mir dabei halfen, europäischen Volkstanz als einen von vielen Strängen in einem universalen Netz wahrzunehmen. Gemeinsame Elemente all dieser Traditionen schliessen ein: das Gefühl für die Heiligkeit der Erde, tiefen Respekt für Frauen und die Ältesten, und eine Betonung der Gemeinschaft - genau das, was ich gesucht hatte.

Um diese Zeit erschienen zwei wichtige Bücher der Archäologin Marija Gimbutas, 'Die Sprache der Göttin' (1989) und 'Die Zivilisation der Göttin' (1991). Ihre präzise Forschung warf neues Licht auf die ursprünglichen Kulturen des Alten Europa und halfen mir, den europäischen Volkstanz als lebendes Erbe dieser friedlichen frühen Zivilisationen zu begreifen. Der Archäologe Yosef Garfinkel zeigte die Wichtigkeit des Kreistanzes als des hauptsächlichen Mittels für Bildung und Feiern in frühen Ackerbaugesellschaften, über Tausende von Jahren.

In den Jahrtausenden vor dem indoeuropäischen Einfluss (das heisst vor der Dominanz von monotheistischen Religionen, Patriarchat und Krieg) verkörperte gemeinschaftlicher Tanz eine Ethik von gegenseitiger Unterstützung und nachhaltiger Gemeinschaft, wie noch überlebende Kreistanztraditionen es bis heute tun. Heide Göttner-Abendroth, Carol P. Christ und andere zeigen, dass dies die Wertesysteme der ursprünglichen egalitären und matriarchalen Gesellschaften des indigenen Europas sind. Wie Peggy Reeves Sanday darlegt, sind Matriarchate kein Spiegelbild von Patriarchaten; die ursprüngliche Bedeutung von “Mütter im Zentrum” bezeichnet lediglich eine Gesellschaft, die Mütter und das Mutterprinzip ehrt, und Männer und Frauen gleichermassen dazu erzieht, Nähren und Sorgen für andere auszudrücken. Dieses gegenseitige Mitgefühl und die Sorge füreinander in ihrem Ausdruck in gemeinschaftlicher Bewegung sind ein essentielles Element des Sacred Dance.

Mein besonderes Interesse galt den Frauentänzen mit ihrer Tendenz zu einfachen Bewegungen anstelle schneller oder komplexer Schritte. Die einfachen Tänze sind die wichtigsten, weil sie zugänglich und inklusiv sind: jede und jeder ist im Kreis willkommen, und niemand ist jemals zu alt zum Tanzen. In deutlichem Kontrast zum westlichen Ideal des Tanzes als Vorführung mit Jugend, Schönheit und athletischer Leistung als höchstem Wert ist der Kreistanz auf dem Balkan zum mittanzen, und in den Dörfern haben die älteren Frauen die größte Autorität als Tänzerinnen.

Einfache und sich wiederholende Schritte erfordern von der Tänzerin wenig oder kein Nachdenken, damit ist der Geist frei für einen veränderten Bewusstseinszustand, der einen inneren Prozess von Einsicht und Transformation unterstützt. Die Schritte ermöglichen einen sanften Fluss von Energie oder Chi, den ich die Heilungsenergie des Tanzes nenne. Ich habe diese wohltuende Wirkung auf sehr persönliche Weise erfahren: Nach einer Knieverletzung Anfang Zwanzig sagten mir die “Experten”, ich würde nie wieder tanzen; die einfachen Frauentänze halfen mir, in Bewegung zu bleiben und doch zu heilen.

Neben den Frauentänzen zogen mich auch die Tänze der Völker an, die eine Form von Exil, Genozid oder Unterdrückung erlitten hatten. Auf geheimnisvolle Weise schienen Musik und Tanz derer, die die schlimmsten menschlichen Erfahrungen überlebt hatten, die größte Vitalität und Lebenskraft auszustrahlen. Diese Tänze waren Leuchtfeuer von emotionaler, körperlicher und kultureller Widerstandsfähigkeit, und erhalten die Freude lebendig, die so oft in der Erfahrung von Trauma verloren geht. Tänze der Armenier, Assyrer, Juden, Kurden, Pomaken, Roma und anderer wurden zu wichtigen Schlüsselelementen in meinen Kursen.

Kennenlernen und Weitergabe der Tänze in einem internationalen Netzwerk

Zu dieser Zeit gab es ein florierendes weltweites Netzwerk von Tänzern und Lehrern, die reisten um voneinander zu lernen und Tänze miteinander zu teilen. Wir sahen unseren kulturellen Austausch nicht als eine Form der kulturellen Aneignung - diesen Ausdruck gab es damals noch nicht. Vielmehr war das Zusammenkommen von Menschen mit verschiedenen Sprachen, Kulturen und Religionen ein aussergewöhnlich effektiver Weg für uns, über oberflächliche Unterschiede hinaus unsere verschiedenen Erfahrungen kennenzulernen und unsere gemeinsame Menschlichkeit zu betonen.

Laura Shannon Lesbos

Sacred Dance öffnete für mich auch einen Weg, Wiedergutmachung für historisches Trauma zu leisten. Als ich in den 80er Jahren in Europa mit dem Unterrichten begann, war der zweite Weltkrieg noch immer eine entsetzlich schmerzhafte und lebendige Erinnerung. Die Menschen trugen eine riesige Last von ungeheiltem Schmerz und kollektiver Schuld und wollten Wiedergutmachung für die Vergangenheit leisten, ohne zu wissen wie. Ich begann, mit Gruppen in Deutschland jüdische, armenische und Romatänze zu tanzen, als einen bewussten Akt der Wiederversöhnung und der Heilung. Im Tanz konnten wir uns unseren bis dahin verschlossenen Gefühlen um historische Ereignisse nähern, und dabei diese Gefühle, uns selbst und uns gegenseitig mit Mitgefühl und Liebe wahrnehmen. Diese Seminare fanden oft in Kirchen statt, manchmal an den Orten früherer Lager. Mit der Zeit konnte ich diese Tanzrituale in ganz Deutschland anbieten, dann in ganz Europa und der ganzen Welt. In den späten 90ern unterrichtete ich regelmässig in 20 Ländern auf vier Kontinenten. 1999 wurde ich Teil der Sacred Dance Fakultät der Findhorn Foundation und zog in die Gemeinschaft.

Ich tanzte mit allen Lehrern und Lehrerinnen von Folktanz und Sacred Dance, die ich finden konnte, reiste zu den lebendigen Tanztraditionen in Dörfern in ganz Europa, und vertiefte mich in andere Gebiete von therapeutischem Tanz und Bewegung. Ich war gesegnet mit der grosszügigen Hilfe und Unterstützung vieler Mentoren, Lehrerinnen und Leiterinnen, darunter Janet Adler, Anna Barton, Erik Bendix, Felicitas Goodman, Marcia B. Leventhal, Yves Moreau, Maria-Gabriele Wosien, Zuleikha und zahlreiche andere. Authentic Movement, Body-Mind Centering, Continuum, 5 Rhythms, Kontaktimprovisation, und die Gurdjieff Movements waren wertvolle Einflüsse. Yoga, T'ai Chi, und Qi Gong halfen mir dabei, traditionellen Kreistanz als eine uralte körperbasierte spirituelle Praxis zu sehen, diesen ähnlich und genauso in der Lage, die Verbindung zu einem universellen Energiefeld herzustellen und Heilung in Geist und Körper herbeizuführen.

Auf meinen Reisen wurde mir zunehmend deutlich, dass die Ritualtraditionen, die Tausende von Jahren überdauert hatten, jetzt vom Aussterben bedroht waren. Ein zunehmendes Gefühl der Dringlichkeit liess mich 2005 nach Griechenland ziehen, um dort in eine intensive Studienzeit einzutauchen. Ich lernte die Sprache und bereiste das Land, um mit Grossmüttern in ihren Dörfern zu tanzen und ihre Lieder, Tänze, Rituale und Weisheit aufzunehmen.

In der Rückschau sehe ich die Erfahrungen dieser Jahre als eine Form der Initiation in eine uralte Abstammungslinie künstlerischer, kultureller und spiritueller Transmission. Mir wurde klar, dass die Frauentänze spezifische Lehren enthalten, die absichtsvoll in Tanzmotiven und textilen Mustern kodiert sind. Ich beschreibe diese Abstammungslinie als eine Mysterienschule der Frauen, in der die verborgene Weisheit nicht unmittelbar zugänglich ist für jeden, sondern nur von denen entziffert werden kann, die “Augen haben zu sehen”. Dieses nonverbale System der verschlüsselten Information hat es den frauenbestätigenden Botschaften und den Bildern der Göttin erlaubt, direkt vor der Nase patriarchaler Kultur zu überleben und zu florieren.

Die heilende Wirkung der Tänze

Beim weiteren Erforschen und Unterrichten dieser Tänze war ich durchgehend beeindruckt von ihrer inhärent therapeutischen Wirkung, wie sie sich in meiner eigenen Erfahrung und der meiner Studentinnen und Studenten in der ganzen Welt zeigte. Gleichzeitig war ich unzufrieden mit vagen und unbegründeten Behauptungen über “alten Heilungstanz”. Um meine Forschung in einem wissenschaftlichen Gerüst zu verankern, suchte ich ein Gleichgewicht zwischen der nonverbalen, eintauchenden und rechtshirnigen Erfahrung des Tanzes mit den analytisch-linkshirnigen Prozessen der verbalen Artikulierung und des rationalen Verstehens. Zu diesem Zweck schrieb ich Tanznotierungen für Hunderte von Tänzen sowie Dutzende Artikel und Buchkapitel, sowohl akademischer als auch persönlicher Natur, um die Ursprünge und Wirkungen dieser Tänze aus einer wissenschaftlich-praktischen Perspektive zu erforschen.

Im Jahr 2014 präsentierte mir das Leben eine weitere Gelegenheit, ganz persönlich die Heilkraft des Tanzes zu erleben, als ich nach einer ernsthaften Verletzung durch einen ungewöhnlichen Fahrradunfall das Gehen neu lernen musste. Gleichzeitig kam ich in die Wechseljahre und mein Körper wurde schnell zu dem einer älteren Frau. Im Gegensatz zu den Schwierigkeiten des Heranwachsens, auf deren gelassene Bewältigung mich meine Kultur nicht vorbereitet hatte, konnte ich diesmal den körperlichen Veränderungen mit Gleichmut begegnen. Durch den traditionellen Tanz hatte ich so viele Frauen getroffen, die mit den Jahren älter, schwerer und langsamer sind, dabei jedoch stärker und weiser, und immer noch mit einer exquisiten Würde und Anmut tanzen können. Sie inspirierten mich, den Alterungsprozess anzunehmen, und die Weisheit und Autorität jenseits körperlicher Beschränkungen willkommen zu heissen.

Rehabilitation dauert lange, öffnete aber auch viele Wege, um mit dem Tanz auf anderen als auf der körperlichen Ebene zu arbeiten. In den sieben Jahren seit dem Unfall habe ich mehr als 50 weitere Artikel und Buchkapitel veröffentlicht und ein Buch über Sacred Dance in der Findhorn-Gemeinschaft editiert. 2016 habe ich mit Hilfe von Beate Frey den gemeinnützigen Athena Verein für Frauentanz und -kultur mit Sitz in Deutschland gegründet, und 2018 wurde ich mit einer lebenslangen Ehrenmitgliedschaft der Sacred Dance Gilde geehrt, in Anerkennung meines “signifikanten und andauernden Beitrages zum Tanz als einer heiligen Kunst.” Im letzten Jahr schloss ich mit einer Abschlussarbeit zur esoterischen Weisheit der traditionellen Frauentänze ein Masterstudium in “Mythos, Kosmologie und das Heilige” ab, und habe jetzt mit meiner Doktorarbeit begonnen. Jetzt tanzen wir natürlich wegen der globalen Pandemie nicht im Kreis, sondern über Zoom, und erleben sogar online die verbindende und heilende Kraft der Tänze.

Laura Shannon

Die Bedeutung des Sacred Dances für die Zukunft

Wenn ich über meine lebenslange Hingabe an Sacred Dance reflektiere, sehe ich als durchgehende Motivation die Sehnsucht nach gemeinsamem Gottesdienst auf eine Art, die Gemeinschaft stärkt, den Körper willkommen heisst, und Frauen und die Erde ehrt. Die traditionellen Kreistänze, Thema meiner Forschung der letzten 35 Jahre, sind der goldene Faden gewesen, der mich auf dieser Reise geleitet hat. Die Tänze repräsentieren eine lebendige Ahnenreihe indigener europäischer Weisheit, in Harmonie mit der nicht-europäischer Völker; die hier verkörperten Werte sind genau die Werte, die wir an dieser kritischen Wegkreuzung der menschlichen Geschichte wiederentzünden müssen. Die Aufgabe, eine nachhaltige Zukunft für unseren Planeten und für zukünftige Generationen sicherzustellen, ist nicht nur dringend, sie ist heilig. Und Sacred Dance kann uns dabei helfen, freudig die nötigen Fähigkeiten zu entwickeln, um uns gegenseitig durch diese Zeiten der Herausforderung und des Wandels zu helfen.

Übersetzung: Katharina Kroeber

Ergänzende Bearbeitung: Beate Stipanits

Dieser Artikel ist auf englisch erschienen im Journal der Sacred Dance Gilde, Ausgabe April 2021.

https://sdgjournal.wordpress.com/2021/04/12/my-lifelong-search-for-sacred-dance/

Bildnachweise (von oben nach unten):
Laura Shannon 2017, photo credit: Kostantis Kourmadias
Laura Shannon Armenian Candle Dance Findhorn 2015, photo credit: Hugo Klip
Laura Shannon Lesvos 2008
Laura Shannon: photo credit: Jim Allen-Morley